Freitag, 30. Dezember 2022

Vom intensiven Gehen


Meine mäßige Kondition und die fantasierte Unsicherheit, abends eine Unterkunft zu finden, haben auch etwas Gutes. Beides hilft nicht weiter, und ich muss lernen, es loszulassen. Die kleinliche Sorge um das Dies und Das, die müßigen Gedanken, was auch immer kommt oder was werden wird, das alles verstellt meinen Blick auf die Gegenwart und den Augenblick. Nimmt mir die Initiative, und bindet mich an meine inneren Dämonen. Was ist gewonnen, wenn ich mich, Tag ein und Tag aus, mit diesen Gedanken beschäftige? Ändert sich am Ende des Tages deshalb etwas? Es schadet nicht, mir zu vertrauen, und auf das, was werden kann. Der Tag wird mir gelingen, was auch immer mir zufällt. Alles, was ich dazu brauche, liegt in mir. Zu Fuß zu reisen ist einfach schön. Ich bin auf das, was mir begegnet, nicht vorbereitet. Nichts ist vorhersehbar wie daheim. Immer gibt es etwas zu entdecken, das mich aus meiner Alltäglichkeit und Routine heraushebt und ablenkt, solange, bis die Gefühle wechseln.

Mittwoch, 28. Dezember 2022

Walfang in Deba


Tagelanges Gehen, allein mit sich in der Landschaft, öffnet den Blick für eine andere Wahrnehmung der Welt. Wer geht, befreit sich vom Diktat der automatisierten Fortbewegung, und nähert sich seiner wahren Natur. Gehen überlässt dem Menschen wieder die Initiative, und zählt zum Essentiellen des Menschseins. Auch dann noch, wenn wir davon nichts mehr wissen. Immer wieder denke ich über Titsangs Antwort nach. Wenn die Dinge so einfach lägen, wie diese paradox klingende Sentenz eines Zen-Meisters.

Samstag, 24. Dezember 2022

Zwischen Land und Meer


Wege entstehen erst, wenn jemand sie geht, belehrt uns Franz Kafka. Sein Bonmot verschweigt aber, dass es sich dabei um einen besonderen Weg handelt. Einen Weg oder Pfad tritt jemand ins Gelände, und er wird deutlich sichtbarer, und mit der Zeit breiter und bequemer zu gehen, wenn es Nachfolger gibt, die den gleichen Weg beschreiten. Kafka spricht sicher nicht von einem geografischen, physischen Weg, sondern meint einen inneren Weg, den Lebensweg, für den der äußere Weg ein Symbol darstellt.

Dienstag, 20. Dezember 2022

Eine der schönsten Städte


Ich weiß es nicht, kann es mir aber nicht vorstellen, dass Wilhelm Busch ein Pilger war. Ganz bestimmt war er kein Santiago-Pilger. Er weiß aber sehr genau, was ein Pilger wissen muss, will er auf den rechten Weg kommen: Er muss durch sich selbst hindurch. Er muss bereit sein, sich ohne Wenn und Aber auf den Weg einzulassen, gegenwärtig sein, dem Zufall vertrauen, nicht allzu weit vorausdenken und darauf bauen, dass letztlich alles gut wird.

Sonntag, 18. Dezember 2022

Aufbruch auf den Himmelspfad


Ein Zen-Kōan ist eine Sentenz, die sich nicht rational interpretieren lässt. Genauso fällt mir keine vernünftige Erklärung für meinen plötzlichen Entschluss ein, auf eine Fußreise, gar auf eine Pilgerfahrt, zu gehen. Der Zen-Meister Titsang fragt seinen Schüler Fayen: »Wohin gehst du?« Worauf Fayen antwortet: »Auf eine Pilgerreise.« Titsang will daraufhin von ihm den Grund für diese Reise wissen, und Fayen antwortet: »Ich kenne ihn nicht.« Eine absurde Situation, die keinen Europäer befriedigen wird, aber Titsang ist mit dieser Antwort nicht nur zufrieden, er lobt seinen Schüler mit den Worten: »Ihn nicht zu kennen, kommt ihm am nächsten.«

Dienstag, 13. Dezember 2022

Auftakt


Ich bin kein Pilger, ich sage es besser gleich, wenigstens nicht im konfessionellen Sinn. Besonders nicht im katholischen. Unterwegs war ich mir nicht immer sicher, was ich eigentlich war. Vielleicht war ich ein Pilger, ein Wanderer oder ein Tourist? Ich war ein Suchender, und einer Faszination erlegen, wie all die anderen, denen ich auf Jakobs Wegen begegnete. Nur war es nicht die gleiche Faszination, die uns auf den Weg brachte. Wir Vielen waren Wanderer und Touristen, auf jeden Fall Fußreisende, die eine neue Mobilität entdeckten, die so alt wie die Menschheit ist, die als Homo viator begann. Die wenigsten von uns waren nur Pilger.

Samstag, 10. Dezember 2022

Bücher zum Thema


Wie wir uns erinnern, verändert auch,
wie wir gelebt haben.
Wir machen Geschichten
aus unserem Leben.
Guy Gavriel Kay

Meine Wanderungen auf deutschen und spanischen Jakobswegen führen die Publikationen anderer Pilger im Gepäck. Ich habe sie jahrelang mit mir herumgetragen, bevor ich aufgebrochen bin, und selbst dann waren sie in meinem Rucksack verstaut, auch wenn ich ihr Gewicht nicht mehr gespürt habe. Nun ist vieles aus diesen Büchern in meine eigenen Erzählungen geflossen, ohne dass ich sagen kann, was es ist. Manchmal habe ich etwas zitiert, was mir wichtig ist, und viel Zeit verbracht, die entsprechende Stelle in einem der Bücher zu finden. Aber so ergeht es jedem Autor. Er steht auf den Schultern seiner Vorgänger, die ihn eine Zeitlang begleitet und inspiriert haben. Auf diese Weise entstehen geistige Gebäude, und jeder der will, kann an ihnen weiterbauen, und hinzufügen, was er zu geben hat. Und so bedanke ich mich bei den Autoren, deren Bücher ich in dieser unsortierten Liste zusammengestellt habe, und wünsche jedem, der weiterforschen will, eine lehrreiche und vergnügliche Lektüre.