Entfalte deine Gedanken zu den milchweißen Spuren,
die noch kein Unbesonnener zu träumen gewagt hat.
Hawad
Ich habe es mir anders überlegt. Über dem Weg nach Muxía, über das Kap am Ende der Welt hinaus, hängt der Nimbus der Vermeidung der Endlichkeit. Wer aber einen schönen Trauum geträmt hat, erzählt uns Wilhelm Schmidt, mag in der Realität nicht mehr leben. Der Weg nach Muxía ist kein Camino de Santiago mehr. Schon die hundert Kilometer nach Finisterre Jakobsweg zu nennen, fällt mir schwer. Und jetzt auch noch die zusätzlichen dreißig Kilometer nach Muxía: Unmöglich! Die Pilgerfahrt endet in Santiago de Compostela, am Grab des Apostels. Jenseits der Jakobusstadt beginnt die profane Wanderung durch das schöne Galicien. Der wahre Pilger beendet seine Fußreise auf dem Sternenfeld, vor der Kathedrale in Santiago de Compostela. Was folgt ist Tourismus.
Nach der wochenlangen Fußreise fällt es mir plötzlich schwer stehen zu bleiben, morgens nicht mehr meinen Rucksack zu packen, ihn zu schultern, und nach einem kargen Frühstück weiterzugehen, immer weiterzugehen. Den ganzen Tag unterwegs im Freien, nur zum Schlafen unter ein Dach zu kriechen. Die Sonne, den Wind und den Regen, ungefiltert auf der Haut zu spüren. Wie habe ich mein Leben bisher nur ohne diese täglichen Atmosphären verbringen können, es ausgehalten, mich fast den ganzen Tag sitzend in Räumen aufzuhalten.
Muxía ist das letzte Ziel übriggebliebener Santiago-Pilger. Ein anderes, das mich noch weiterführt, gibt es nicht. Obwohl es nie in Frage stand, endet mein Traum mit der Plötzlichkeit eines unerwarteten Schocks in Muxía. Die Erkenntnis, weiter geht es nicht, spaltet die Wirklichkeit des Pilger-Wanderers wie ein Blitz, vor dessen Donner er bis zuletzt seine Ohren verschließt.
Die letzten Tage meiner Fußreise verstreichen ruhig und entspannt. Es gibt keine spektakulären Ereignisse mehr, die Landschaft ist mir vertraut, fast heimisch geworden. Mein Ich ruht friedlich in seiner Mitte; ein faul in der Sonne dösender, satter Kater. Drei Tage habe ich in Fisterra vertrödelt, sie schmeckten bereits nach Abschied. Doch ich weigere mich aufzuhören zu gehen, breche nach Muxía auf, wie manch anderer auch. Noch sind dreißig Kilometer übrig, bis der Camino de Xacobea, der schon längst keiner mehr ist, in Muxía endet. Mich kümmert es nicht, dass der Appendix des Camino de Santiago eine Erfindung der regionalen Verwaltung ist, um Touristen und Devisen in eine strukturschwache Region zu leiten. Der Jakobsweg lässt sich beliebig fortführen. Namen spielen keine Rolle, und Ziele bekommen nach einer wochenlangen Wanderung einen relativen Hof, eine Unschärfe, in der sich Innenwelt und Landschaft überschneiden. Ich frage mich mittlerweile, ob ich nicht auf der Schnittstelle meiner Wünsche wandere. Es gibt noch so viele Wege, so vieles zu erleben. Die mystische Aura, die dem Jakobsweg anhaftet, verliert sich mit jedem weiteren Schritt, verwandelt den Pilger zurück in den Wanderer, dem es gleichgültig ist, wohin ihn der Weg führt. Nur hinaus, den Alltag zu transzendieren. Wohin führt die nächste Etappe, wenn Muxía nicht das Ende des Wegs ist? Für jetzt und in jeder Zeit.
Sehnsucht, Motivation und Ziel des Pilgers auf dem Camino de Santiago ist das Grab des Apostels Jakobus. Nicht das Cabo de Finisterre und nicht das Heiligtum der Virxen da la Barca, der Jungfrau im Boot, die der Legende nach dem Jakobus erschienen sein soll. Der Null-Kilometer-Monolith steht heute am Kap von Finisterre, nicht in Santiago de Compostela, fast hundert Kilometer westlich der kleinen Kammer unter der Kathedrale, in der die Jakobusreliquie aufbewahrt wird. Im ersten Moment fühlt es sich eigenartig an, über das Ziel hinauszugehen. Und nun sogar noch weiter, nach Muxía, zu einem improvisiert wirkenden Sanktuarium. Der Weg zum Kap ans Ende der Welt mag noch begründbar sein, schließlich wurde die Reliquie des Jakobus irgendwo dort an Land gebracht. Die meerumtoste Steilküste wirft allerdings Zweifel auf, ob dort eine Landung überhaupt möglich war. Wenn es stimmt, dass die Reliquie in einem antiken Mausoleum in der Nähe von Iria Flavia, dem modernen Padrón, gefunden wurde, warum der Umweg über das Kap Finisterre? Und nun Muxía! Der Apostel soll dort missioniert haben. Ist das allein schon ein Grund? Dort erschien ihm die Jungfrau Maria in einem Schiff aus Stein, als er frustriert die Missionierung der heidnischen Iberier aufgeben wollte. Teile des Boots und das steinerne Segel liegen noch immer auf dem Riff vor ihrem Heiligtum. Muxía besitzt eine eigene Jakobuslegende.
Ich spüre es deutlich. Es ist schwer, nach hunderten Kilometern einfach aufzuhören zu gehen. Stehenzubleiben. Stillzustehen. Das wochenlange, tägliche Gehen hat den Rhythmus meines Alltags verändert. Ob es auch mein Leben verändert hat? Drei Tage in Fisterra. Ich will ausruhen, mich als Urlauber fühlen, der eine Auszeit verdient. Doch ich bin zu unruhig. Immer häufiger denke ich an Muxía und daran, aufzubrechen, weiterzugehen. Es fällt mir schwer, plötzlich meine Füße still zu halten. Nicht mehr täglich einen Schritt vor den anderen zu setzen. Wieder sesshaft sein.
Pilgerurkunden sind der materielle Beweis des Dortgewesenseins. Sie sind ein Beleg, ein offizielles Zeugnis, eine Beglaubigung, wie ein Selfie vor dem Hintergrund der Kathedrale in Santiago de Compostela, vor den Pyramiden in Gizeh oder der Akropolis in Athen. Sie beweisen den Daheimgebliebenen, dass ich dort gewesen bin, dass es das Dort wirklich gibt, dass die Fremde keine Illusion ist, dass sie zu Fuß erreichbar ist. Ich muss nichts Vorzeigbares mit nach Hause bringen. Muss meine Wanderlust, die Objekt gewordene Mühe, Ungläubigen nicht nachweisen, die die Unheimlichkeit meines Unternehmens am liebsten nicht zur Kenntnis nehmen; aus Furcht, an sich selbst zu zweifeln. In Santiago de Compostela erhält der Pilger, nachdem er stundenlang in der Schlange gestanden hat, die Compostela, in Fisterra, ohne dass er warten muss, die Fisterrana und in Muxía die Muxíana. Drei Leistungszeugnisse, die ich mit Stolz entgegengenommen habe. Obwohl mir bewusst ist, wie albern die ganze Angelegenheit ist, war es mir nicht möglich, die Ehrung auszulassen. Der Wunsch nach Belohnung ist ein menschliches Bedürfnis. Es schmeichelt unserem Ego, das schwer zu befriedigenden ist. Bereits kleine Kinder schauen ihre Eltern mit großen, bittenden Augen an, wenn sie etwas gut gemacht haben. Sie freuen sich, wenn ihre Eltern mit ihnen zufrieden sind. Sie wissen noch nicht, dass es nur darum geht, mit sich selbst zufrieden zu sein. Ohne äußere Bestätigung. Das Lob der Eltern gibt es hoffentlich umsonst. Pilgerurkunden nur gegen Registrierung, damit verlässliche Daten für die Planung der touristischen Infrastruktur entstehen.
Lires liegt auf halbem Weg von Fisterra nach Muxía. Ich will in der Albergue As Eiras übernachten. In meiner Begeisterung, wieder unterwegs zu sein, gehe ich an Lires vorbei. Der große Strand, der sich zwischen Lires und Nemiña erstreckt, zieht mich magisch an. Es gibt nichts Erfrischenderes als nach einer langen Wanderung barfuß über Sand zu laufen. Immer an der Flutlinie entlang. Doch der lange Weg über den Strand, gegen den Wind und auf dem von der zurückweichenden Flut nassen Sand ist anstrengend und ermüdend. Und dann bin ich Nemiña statt in Lires und sitze in einer bescheidenen Bar mit stattlichen Preisen. Ein Blick zurück präsentiert die Hausdächer von Lires, die in der Nachmittagssonne glänzen. Mehrere Wohnmobile stehen in den Parkbuchten am Strand, die Vorzelte aufgebaut und die Urlauber am Grill oder auf Liegestühlen in der Sonne. Mit sattem Sound lenken Biker ihre Harley Davidsons an den Strand.
Auf Rat eines freundlichen Mannes, der gerade vor der Bar aus seinem Auto steigt, entscheide ich mich für die Straße, auf die er zeigt, um zurückzugehen. Ein kurzes Stück Landstraße beginnt an der Bar und mündet auf einem Parkplatz am Strand wo Surfer ihre Ausrüstung verpacken. Eine Piste führt einen flachen Hügel hinauf, die parallel zum Strand geradeaus auf Lires zuhält, und am falschen Ufer einer Ría endet. Die Straße nach Lires, von der ich eben zum Strand abgebogen bin, liegt unerreichbar auf der anderen Seite. In der Hoffnung auf eine Brücke folge ich der Uferstraße und entferne mich immer mehr hinauf in die Berge. Schließlich verschwindet Lires zwischen Bäumen, und die Schlucht, durch die der Fluss fließt, trennt mich noch immer von dem Ort. Alle Pfade die ich kreuze, enden am Ufer des Flusses.
Fast zwei Stunden gehe ich über eine schmale Landstraße, auf die der Wind den Sand vom Strand geblasen hat, immer weiter bergauf, ohne zu wissen, wohin sie führt. Keine Autos, keine Wegweiser, keine Ortsschilder. Und auch kein anderer Fußgänger. Niemand, den ich nach dem Weg fragen kann, und der Tag neigt sich seinem Ende zu. Verlaufen! Ich bin alleine auf unbekanntem Terrain. Doch der Geist des Camino, der auch dort wirkt, wo es ihn gar nicht mehr gibt, ist hilfreich zu Stelle. Weiße Flecken zwischen dem Grün des Waldes verraten Hausmauern ganz in der Nähe. Ein Weiler, ein paar Häuser, die ein kurzes Stück Straße säumen. Noch immer ist niemand unterwegs, doch für Wanderer, die hier vorüber kommen, ist gesorgt. Ein kleiner Pavilion mit Getränkeautomat und Toilette, eine Wartehalle in der Provinz. Auf einem Tisch liegen mehrere Ausgaben eines politischen Magazins, die von der Unmöglichkeit des Donald Trump berichten, und den Rastenden mit der globalen Welt verbinden, vor der er auf der Flucht ist. Als ich eintreffe, glücklich, doch nicht verlorengegangen zu sein, greift ein junger Mann gerade nach seinen Stöcken und verlässt den Pavillion. Ich rufe, er wartet, er kennt sich aus und bringt mich zurück auf den Weg nach Lires. Und als ich sie nicht mehr brauche, sind plötzlich die gelben Pfeile und steinernen Monolithen wieder da. Zehn zusätzliche Kilometer, auf schattenlosen Straßen unter einer brennenden Sonne. Aus Unachtsamkeit.
In Lires gibt mir der freundliche Rezeptionist ein Bett in einem Schnarcherzimmer. Eigentlich ist es kein spezielles Zimmer für Schnarcher, aber außer den beiden Kindern und mir schnarchen alle. Ich weiß das so genau, weil ich fast die ganze Nacht wach lag und nur hin und wieder kurz eindöste. Vier Etagenbetten, fünf Schnarcher. Es war für mich eine überraschende Erfahrung, wochenlang in unterschiedlich großen Schlafsälen zu übernachten, von der fehlenden Privatsphäre einmal abgesehen, und festzustellen, wie viele Schnarcher es gibt. Männer und Frauen, unterschiedslos. Selbst kleine schmächtige Frauen schnarchen die Welt zu Bruch. Eine deutsche Pilgerin erzählte mir vor Wochen, sie habe sich individuell angefertigte Ohrstöpsel anfertigen lassen, die angeblich starkem Schnarchen gewachsen sind. In der öffentlichen Herberge in Lugo, mit ihren großen Schlafsälen, hat ein Pilger den ganzen Saal morgens um fünf mit seinem Smartphone-Alarm geweckt. Nur er schlief ungestört mit seinen Ohrstöpseln. Ich habe in den Wochen gelernt, loszulassen, mich nicht auf das Schnarchen meiner Mitpilger zu fokussieren. Nicht immer gelingt es. Am nächsten Morgen beim Frühstück ist immer für ein amüsantes Gespräch gesorgt.
Wie gestern gehe ich wieder durch den Wald, nur unterbrochen von einem Bauernhof, vor dem ein großer Hund mit hellbraunem Fell mitten auf der Straße schläft. Die vorübergehenden Wanderer ignoriert mit einer Gelassenheit, die nur ein Hund seiner Größe fertigbringt. Die ersten Kilometer des Wegs kenne ich noch von meinem Umweg von gestern. Noch einmal gehe ich über die neue Betonbrücke, die für die Pilger angelegt wurde. Im Fluss liegen noch ein paar der Trittsteine, über die bis vor ein paar Jahren Fußgänger den hüfthohen Fluss überqueren mussten. Schade! Aber die Brücke ignorieren, bringe ich dann doch nicht fertig. Dazu fehlen zu viele der Trittsteine, sodass sie weit auseinanderliegen. Den Sturz in einen Bach, dessen glitschige Steine trügerisch sicher wirkten, habe ich bereits in Galisteo absolviert. Eine Wiederholung ist nicht erforderlich. Es fällt uns immer wieder leicht, den Komfort der Unbequemlichkeit und der Gefahr vorzuziehen. Das Gefühl lebendig zu sein, der Thrill des Abenteuerlichen, weicht dann der Langeweile und dem Alltäglichen.
Der Weg nach Muxía führt fast nur durch Wald. Die Pilger, die ich auf dem Weg vermute, bleiben unsichtbar. Nur gelegentlich treffe ich für ein paar hundert Meter auf eine asphaltierte Landstraße. Die Landschaft ist dünn besiedelt, gelegentlich ein einzelner Hof oder ein Weiler, deren Bewohner von der Landwirtschaft leben. Vorwiegend Maisanbau um ihre Viehherden im Winter zu füttern. Ein paar Kilometer vor Muxía endet der Wald und die Landschaft öffnet sich zur Küste hin. Eine Bucht, ein langer, leerer Sandstrand. Oberhalb des Strandes entsteht eine neue, mehrgeschossige Hotelanlage. Drei Japaner fotografieren die Szenerie ohne meinen Gruß zu erwidern. Muxía blickt in die Zukunft, auf finanzkräftigere Gäste als es die Pilger sind. Wir sind die Vorhut, die die Wege austreten und die Costa da Morte für andere Besucher erschließen.
Muxía ist ein kleines Städtchen, dessen Häuser sich auf einem Grat der Steilküste aneinanderreihen. Der Ort erinnert daran, wie Fisterra vielleicht einmal war, bevor der Massentourismus zugriff. In Muxía beginnt der Tourismus gerade erst. Der Ort wirkt verschlafen, die Bewohner haben das auf sie zukommende Schicksal noch nicht begriffen. Muxía träumt den Dornröschenschlaf, während sich der Prinz schon durch die Dornenhecke zwängt. Vielleicht verheddert er sich rettungslos in den Dornen. Doch schon breitet sich die touristische Infrastruktur schüchtern aus, die kommende Besucher mit allem versorgt. Die Muxíana lockt. Das Angebot an Unterkünften ist in den letzten Jahren gewachsen. Die Herbergen sind modern ausgestattet und ganz auf die Bedürfnisse von Pilger-Touristen zugeschnitten. Muxía, am Ende eines Pilgerwegs, ist schon jetzt besser aufgestellt als viele Orte am Camino de Santiago, in denen ich übernachtet habe. Dienstag und Mittwoch streiken die Fahrer der Buslinien nach A Coruña, Santiago und Fisterra. Kein Transport. In keine Richtung. Zurück nach Santiago de Compostela kann ich frühestens Donnerstag Morgen, und zu Fuß zurück nach Fisterra will ich nicht. Das Wetter ist regnerisch. Der Mann an der Rezeption rät mir mit einem Taxi zurück nach Fisterra zu fahren, aber ich bleibe lieber noch einen Tag länger in Muxía, wo es mir zunehmend besser gefällt. Schon bereue ich, dass keine Tage mehr übrig sind.
Aus Muxía heraus führt ein gepflasterter Wanderweg, unterhalb des Monte Carpiño, zu dem Heiligtum, das Muxía zu einem Wallfahrtsort macht, den eine Legende mit Jakobus in seiner Rolle als Missionar der keltischen Iberer verbindet. Immer mehr Pilger beenden den Camino de Santiago an diesem Sanktuarium. Fisterra - Muxía, der einzige Jakobsweg der in Santiago de Compostela beginnt, verkündet die Werbung. Anders als die Kathedrale von Santiago de Compostela ist die Kirche in Muxía verschlossen. Der Pilger steht vor einem engmaschigen Gitter, und kann die Statue der Jungfrau im Boot im abgedunkelten Chor nur aus der Ferne und undeutlich im Zentrum eines mit Malereien aufwändig dekorierten Altars erkennen. Unterhalb des Monte Carpiño, dort wo sich der Weg an die Küste entlangschlängelt, kommt man an den Fragmenten der Capilla de Encarnación de Muxía vorbei. Auf dem heutigen Friedhof gründete D. Alonso García im 16. Jahrhundert, unmittelbar auf dem gewachsenen Fels, eine quadratische Kapelle mit halbrundem Türbogen. In den 1970er Jahren musste die Kapelle einem modernen Friedhof weichen, der heute an ihrer Stelle steht. Ein Fragment der Kapelle, der Glockenturm, der sich nahtlos an den Berg schmiegt und zu dem eine aus dem Fels gemeißelte Treppe hinaufführt, ist übriggeblieben.
Der Wind weht kalt und böig vom Atlantik über den baumlosen Westhang des Monte Carpiño, dunkelgraue Wolken im Gepäck, die mit Regen drohen. Ich schaue den Wellen zu, die unterhalb des Sanktuarium der Virxen de la Barca auf die nackten Klippen klatschen und ihre Gischt dem Wind überlassen, der mir den nassen Schleier ins Gesicht sprüht. Ein brodelndes Inferno, das schäumend und unbarmherzig gegen die Felsen brandet. Eine Führung findet in den Klippen statt. Ein Guide führt fotografierende Touristen über die von Wasser und Wind glatt geschliffenen Felsen. Während die meisten von ihnen ihre Regenjacken eng um ihren Körper schlingen, andere sich gelangweilt umschauen, zwängen sich zwei Männer im Rhythmus des Vortrags unter einen flachen Felsen durch, das versteinerte Segel des Boots, mit dem die Jungfrau Maria dem desillusionierten Jakobus erschienen sein soll. Sie mühen sich, denn der Schlitz zwischen dem Boden und der dreieckigen Felsplatte ist sehr eng.
Der kleine Fischerort mit seiner idyllischen, von Meer und Fischfang geprägten Atmosphäre, soll seinen Ursprung in einem über dreitausend Jahre alten, neolithischen Kult haben, dessen Rituale sich um Steine und Fruchtbarkeit drehten. Schon damals, so wird behauptet, hätten sakrale Steinsetzungen tausende prähistorische Pilger angezogen. Ein solches Argument, unbeweisbar wie es ist, dient dazu, eine jahrtausendealte Pilgertradition zu etablieren, die über ein katholisches Monopol hinausgeht.
Der Name Muxía soll sich von monxía ableiten, Land der Mönche. Ein Mönchsorden, der hier sein Kloster gründete, erzählt man, habe den heidnischen Kult der Steine christianisiert. Was das moderne Muxía am Ende des Xacobeo ausmacht, hat in einer Überzeugung seinen Ursprung, die tief in die regionale Geschichte des Fischerdorfs zurückreicht. Wissenschaftlich belegbar ist nichts; bleiben die spekulativen Argumente einer touristischen Werbung, die Muxía zu einem Wallfahrtsort mit historischem Kontext aufwerten will.
Die Herberge Bela Muxía erinnert mit einer Ausstellung an berühmte galicische Persönlichkeiten, Dichter und Philosophen, widmet jedem von ihnen ein Porträt und ein Zitat. Unter ihnen befindet sich auch ein gewisser Erich Lassota de Streblova, ein deutscher Adeliger polnischer Herkunft, der 1580 nach Muxía gepilgert ist. Den Ort und sein Marienwunder beschreibt er realistisch, bis er auf das Segel zu sprechen kommt, das auf den Felsen zu Füßen der Kirche liegt: Muxía is a small town with a big and good port; its entrance is from the right and here we can find a large chapel or church where Nuestra Señora de la barca (Our Lady of the Boat) is venerated with great devotion. The statue of the Virgin Mary is said to have arrived in a stone boat which is at the bottom of the sea and its sail, rudder and mast are all made of stone, the sail and the mast are so large and heavy that not even a yoke of oxen would be able to draw them. However, as they are lying there a man with a single finger can move them and this is something I have done too. Tatsächlich ähnelt der Felsblock einem Segel. Es muss im Lauf der Jahrhunderte schwerer geworden sein, denn mir war es nicht möglich, es mit einem einzigen Finger anzuheben. Vielleicht fehlte mir der Glaube und die ekstatische Begeisterung der Pilger des 16. Jahrhunderts.
Das Heiligtum der Virgen de la Barca liegt exponiert auf einem Felssporn, der sich über den Atlantik erhebt. Zwischen der Stadt und dem Heiligtum erhebt sich der Monto Carpiño mit einer herrlichen Aussicht auf die kleine Kirche und die ans Meer grenzenden Felsen, über Muxía und den Atlantik. Anders als erwartet stehe ich vor einem Bau, der auf mich so neu wirkt, als sei er gerade erst fertiggestellt worden. Einen mittelalterlichen oder gar archaischen Eindruck macht die Kirche nicht, wohl aber der Ort, an dem sie steht. Es muss einen Vorgängerbau gegeben haben, von dem noch der doppelte Glockenturm mit einem niedrigen Portal erhalten ist, dessen halbrunder Sturz aus Bruchsteinen besteht, die ohne Mörtel aufgeschichtet sind. Ein Fragment eines musealen Baudenkmals, überarbeitet und restauriert, das verwaist neben der neuen Kirche übriggeblieben ist.
Der Monte Carpiño bildet eine natürliche Grenze zwischen dem sakralen Ort der Marienverehrung und dem alltäglichen, profanen Leben in der Stadt. So wirkt die dicht am Meer allein stehende, solitäre Kirche schon wegen ihrer Lage auf eine merkwürdige Weise mystisch. Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich bei diesem Platz auf der Grenze zwischen Land und Meer um einen alten, vielleicht sogar keltischen Ritualort gehandelt hat. Die Kirche wirkt wie ein balinesischer Unterwelttempel, dass Hauptportal, der Altar mit dem Bild der Maria im Boot und dem doppelten Glockenturm dem Atlantik zugewandt. Das von der stürmischen See vor der Costa da Morte abgeschliffene Felsplateau mit der imposanten Felsplatte des steinernen Segels vor dem Kirchenportal, bildet die ideale liminale Zone für rituelle Aktivitäten jeder spirituellen oder religiösen Weltanschauung. An einem regnerischen Tag wie heute, und noch dazu bei Flut, drängt der Atlantik so wild an die Küste vor der Kirche, dass das Felsplateau mit dem steinernen Segel von brodelndem Schaum umspült wird. Besonders im Herbst und im Winter, zur Zeit der Herbst-Tagundnachtgleiche oder der Wintersonnenwende, bildet der von Stürmen aufgewühlte Atlantik eine dramatische Kulisse für rituelle Zeremonien. Die naturräumlichen Atmosphären des Brausens, Donnerns und Schäumens, das symphonische Brodeln, Saugen und Ziehen des aufgewühlten Wassers, das schließlich personifizierte Meer, war wegen dieser Qualitäten immer mit der Unterwelt aquatischer Reiche assoziiert. Rituale, die diese Grenze thematisieren, dienen der Abwehr der Angst vor der destruktiven Energie des Wassers, vor einem feuchten Tod, der in die Wiedergeburt eines neuen Status führt. Darüber hinaus versichern diese Rituale den Initianden und Ritualteilnehmern ihre Macht, den tobenden Elementen zu trotzen. Wer wagt sich schon auf den Atlantik hinaus, ohne sich auf rituelle oder technische Absicherung zu verlassen. Das steinerne Segel selbst, unter das sich die Gläubigen noch immer hindurchzwängen, in der Hoffnung von Rheuma und Nierenleiden erlöst zu werden, zeugt von der uralten Bedeutung dieses Orts.
Wo einst der Pilger Erich Lassota de Streblova unreflektiert die Legende um das Segel wörtlich nahm, greift eine Info-Tafel in der Ausstellung der Albergue Bela Muxía die Bedeutung dieses sakralen Ortes wissenschaftlich entmythologisierend auf: The fertility-related Piedra d´Abalar (Rock Stone) and the nearby stones associated with the rites of love and with various curative properties all underwent a process of reconstructing in the Middle Ages. They were christianized i.e. the Piedra d´Abalar has becone the boat in which the Virgin Mary appeared to Saint James the Apostle who was getting tired of preaching; the Piedra d´os Cadris (Sail Stone) was no longer connected with the old initiaton rites of passage but it become the sail of Virgin Mary´s vessel navigating by rowing angels who used the Piedra del Timón (Rudder Stone) for steerung. The rites of love become associated with the Piedra de los Enamorados (Lover´s Stone). Pagan rituals were replaced by the new legend of the Virgin de la Barca (Virgin Mary of the Boat) whose sanctuary came to be the end of the way.
Es ist plausibel, dass in frühgeschichtlicher Zeit auf dem Klippen Fruchtbarkeitsrituale durchgeführt wurden. Die besondere Lage und der allgegenwärtige Unterweltcharakter dieses Ritualorts machen es wahrscheinlich, dass es sich um Rituale gehandelt hat, in denen die Lebenden von den Ahnen die Fruchtbarkeit zurückgefordert haben, die der Gemeinschaft mit dem Tod eines ihrer Mitglieder verloren ging. Das Boot, auf dem die Jungfrau Maria, dem orientalischen Fruchtbarkeitskult der Acharte und Isis entsprungen, dem erschöpften Jakobus erschien, ist nicht nur das Boot der Seebegräbnisse germanischer Häuptlinge, sondern auch das Boot, mit dem das Kind Sceaf Scefing, von dem das altenglische Versepos Beowulf erzählt, am Strand landete. Über das Meer, an das andere Ufer, wohin auch der Altar mit der Jungfrau im Boot und das Hauptportal der Kirche weist, gehen nicht nur die Toten. Von dort schicken ihnen ihre Ahnen auch neues Leben zurück.
Ich stehe hoch oben auf dem Monte Carpiño und Muxía liegt mir zu Füßen. Die malerische, von kreischenden Möwen auf ihrem eleganten Gleitflug geprägte Stimmung erinnert an den Küstenort Bodega Bay in Hitchcocks Film Die Vögel, dessen Stoff er Daphne du Maurier entlehnt hat. An dem ausgedehnten Hafen mit den Fischkuttern und den Liegeplätzen für die Segelboote und Yachten führen Promenade und Durchgangsstraße am Ort entlang. Parallel dazu, einen sanft ansteigenden Hang hinauf, liegt der historische Ortskern mit seinen labyrinthisch verwinkelten Gassen, die so schmal sind, dass ein PKW nur durchfahren kann, wenn sich der Fußgänger mit dem Rücken an die Hausmauer drückt. Aber das ist selten notwendig, denn Autoverkehr ist in den Gassen Muxías die Ausnahme. Von oben betrachtet liegt Muxía auf einer schmalen, nur einige hundert Meter breiten, an beiden Seiten sanduhrförmig eingezogenen Landzunge. Wie Fisterra wird auch Muxía an den Flanken von einer Bucht begrenzt, in denen die Wellen des Atlantik ruhig auslaufen. Nur an einigen Stellen, wo große Felsen die Wasseroberfläche durchbrechen, brodelt und schäumt es so laut, dass die Brandung bis hoch hinauf auf dem Monte Carpiño nachhallt.
Muxía ist ein farbenfrohes Häusermeer. Die meisten Hauswände sind blau, gelb und orange gestrichen, die Dächer rot, sodass der Ort in der Sonne leuchtet, wenn sie sich zwischen den allgegenwärtigen Wolkenbänken sehen lässt. Ganz anders in den engen Gassen. Dort stehen die Häuser so dicht aneinander gedrängt, dass es zwischen ihnen immer schattig ist. Die Häuserreihen verlaufen parallel zum Meer, was den Wind hindert, bis in den Ort vorzudringen. Muxía präsentiert sich überraschend urban. In dieser Hinsicht unterscheidet es sich kaum von den anderen Kleinstädten Galiciens - Fisterra, Cée oder Negreira - die am Xacobeo liegen. Muxía ist nicht mehr das verschlafene Dorf an der nordwestgalicischen Küste, sondern ein Ort mit kleinstädtisch spanischer Atmosphäre mit Zentrum, Hafen und modernen Konsummöglichkeiten. Und einer touristischen Infrastruktur, die sich unaufdringlich unter das Lokalkolorit mischt. Anders als in Fisterra, wo das touristische Flair der aus aller Welt eintreffenden Pilger die lokale Eigenart erstickt hat, ist Muxia auf geheimnisvolle Weise galicisch geblieben, ein Ort mit dem charmanten Ambiente eines Fischerdorfs an der Atlantikküste.
Mein letzter Tag auf dem Camino Xacobeo. Ein Regentag in Muxía. Seit meinem Aufbruch aus Lugo hat es vergangene Nacht zum ersten Mal wieder heftig geregnet. Am Morgen ist der Spuk vorbei, doch es nieselt noch immer aus den regenschweren Wolken. Erst am Nachmittag hört der Regen auf, doch die Sonne bleibt hinter den Wolken verborgen. Der Himmel weint und spiegelt meine melancholische Stimmung: Morgen verlasse ich Galicien und kehre zurück nach Deutschland. In Muxía endet meine Fußreise. Ich war skeptisch, was den Ort als Ende des Camino de Santiago betrifft. Ich bin es immer noch. Finisterre als Ziel des Jakobsweg kann ich verstehen. Der Weg nach Muxía ist eine schöne Wanderung, vergleichbar mit dem Camenito del Rey bei Malaga, die leicht an einem Tag zu gehen ist. Mit dem Camino de Santiago hat Muxía nichts mehr zu tun. Der Zusammenhang, der eifrig beschworen wird, klingt ziemlich improvisiert. Doch Muxía lohnt einen Besuch, ganz besonders als Ausklang einer wochenlangen Pilgerreise auf dem Jakobsweg. Nicht die in ihrer verschlossenen Kirche wartende Nuestra Señora de la Barca, sondern der unverbrauchte Flair eines galicischen Städtchens am Rande der Ökumene machen Muxía aus. So muss es überall entlang des Jakobswegs gewesen sein als der Camino de Santiago im 19. Jahrhundert eine Renaissance erlebte. Ein atlantischer Fischerort aus dem Bilderbuch, galicisch, und mit einem interessanten, wenn auch schwer zugänglichen Heiligtum. Muxía ist ein perfekter Urlaubsort, der sich aus strategischen Gründen als Wallfahrtsort maskiert hat. Das Konzept scheint aufgegangen zu sein.
War meine Fußreise eine Pilgerfahrt oder nur eine Wanderung? Gibt es diesen Unterschied überhaupt oder ist beides ein und dasselbe? Eine schwierige Frage, deren Beantwortung von meinen Motiven, meinem Vorverständnis und meinem Bewusstsein abhängt, mit dem ich einst aufgebrochen bin. In Wirklichkeit hat sich meine Identität mit der Rolle, in der ich mich täglich neu wiedergefunden habe, geändert. Und meine Rolle war fließend und von den besonderen Umständen auf den Jakobsweg abhängig. Sicher, ich war auf einem jahrhundertealten Pilgerweg unterwegs, durchtränkt von religiöser Symbolik und Hinterlassenschaft. Es ist unmöglich, das nicht wahrzunehmen, sich nicht damit auseinandersetzen. Doch diese Auseinandersetzung kann religiös, spirituell, konfessionell, landschaftlich, kunsthistorisch oder sportlich motiviert sein, und auch hier ist es schwierig, eine deutliche Grenze zu ziehen. War meine Fußreise schließlich doch eine Pilgerfahrt? Wenn ja, woran erkenne ich, dass ich ein Pilger bin? Eigentlich ist es offensichtlich: Ein Pilger ist ein Wanderer, aber nicht jeder Wanderer ist ein Pilger. Diese Differenz charakterisiert die internationale Gemeinschaft, der ich auf den Jakobswegen begegnet bin. Wie ich sind sie beides, einmal mehr das eine, dann mehr das andere, aber nie eindeutig das eine oder das andere. Möglicherweise sind sie auch Touristen, die dritte Rolle, in die man auf dem Jakobsweg schlüpfen kann. Sie alle sind Reisende, Fußgänger, die nicht genau wissen, was der Tag bringt und ob sie sich abends anders fühlen als morgens. Der Reisende hinterfragt sich in der Bewegung. Er setzt sich kritisch mit sich selbst und seinen Wahrnehmungen auseinander. Man kann auch sagen: Er denkt beim Gehen! Der Tourist bewegt sich mit voyeuristischem Blick gedankenlos in der Fremde. Touristen wissen nicht, wo sie gewesen sind, erklärt uns Paul Theroux, Reisende wissen nicht, wohin sie fahren. Und das wochenlang, denn keiner von ihnen ist nur für ein paar Tage aufgebrochen. Sie alle, woher sie auch kommen, lassen sich auf das Abenteuer Ungewissheit ein. Nicht zu wissen, ob die inneren Sicherheiten ohne das Vertraute tragen, verbindet sie miteinander. In dem Mut, dieses Wagnis einzugehen, liegt das verändernde Potenzial einer Pilgerfahrt, ob sie, wie im Mittelalter einen Ablass erwirken wollen, der einen sündenfreien Neubeginn ermöglicht, oder ob sie sich, wie im 21. Jahrhundert, auf die Suche nach einem neuen Lebenssinn machen. Die Motive ähneln sich, und sie bewirken eine Katharsis, eine psychische Reinigung. Die Pilgerfahrt inszeniert den Übergang, der einem wirklichen Neuanfang vorausgehen muss. Sie bietet die Freiheit diese Möglichkeiten zu nutzen. Sie erfordert Mut, oft Verwegenheit, doch sie enthält unzählige Gelegenheiten zu wachsen.
Wer einen Traum ausgeträumt hat, mag in der Realität nicht mehr leben, behauptet Wilhelm Schmidt, der nach den Voraussetzungen eines schönen Lebens fragt. Vielleicht! Das mag im Märchen so sein, nicht im wirklichen Leben. Denn wer seinen Traum verwirklicht hat, stärkt sein Ich und seine Realität. Wenn ein Traum zu Ende ist, beginnt das Leben neu. Mutig und vertrauensvoll wendet sich der Wanderer einem anderen Traum zu, der nach Hause oder auf die nächste Wanderung führt.
In Muxía, an der galicischen Costa da Morte, endet mein Traum. Weiter geht es nicht. Mein nächster Schritt, wo und in welche Richtung, betritt neue Wege. Der Mensch, will er glücklich sein, muss sich von der unmittelbar sinnlichen Realität abwenden. Das lehren Platon und Buddha. Er muss sein Ego loslassen und sich der Idee der wahren Schönheit zuwenden, die nie enttäuschend ist. Wochenlang habe ich vollständig in der Wirklichkeit des Hier und Jetzt gelebt. Mein Wanderalltag bestand aus sinnlicher Schönheit und Loslassen.
Wie gelingt es, zurückzukehren, wenn ein Weg zu Ende gegangen ist? Wie gelingt die Wiedereingliederung, der Anschluss, an mein früheres Leben, der Umgang mit meiner veränderten Identität? Die Reintegration ist mit meiner Heimkehr nicht abgeschlossen. Zuhause, in meinem alten Alltag, erwartet mich eine abschließende Krise: die Post-Camino-Depression. Der Kulturschock, den keine Vorbereitung verhindern kann, hat mich erst zu Hause erreicht. Die Rückkehr aus der Exklusivität des Jakobswegs, aus der wochenlangen selbstbestimmten Liminalität, die allenfalls einer sehr lockeren Struktur folgt, erfordert den wirklichen Mut. In der Wiedereingliederung eines veränderten Ichs, in der konstruktiven Integration des Erlebten, besteht die letzte Herausforderung, die, wenn sie scheitert, in einen neuen Aufbruch führt. Das ununterbrochene Gehen auf einer Fußreise ist ein Spiegel des Lebens. Die katholische Lehre hat diese Erkenntnis in der Metapher vom Gast auf Erden ins Bild gesetzt. Es gibt kein Ankommen, keinen Stillstand des Lebendigen, und auch individuelles Leben, wenn es gelingen soll, muss sich vorwärts bewegen. Eine Bewegung, die für viele Menschen in fremdbestimmten Bahnen verläuft. Ich frage mich auch, worin die größere Herausforderung besteht, sich dem natürlichen Fließen zu überlassen oder darum zu kämpfen, dass der gezähmte Fluss des Lebens in den Kanälen des Alltags nicht versandet oder gar austrocknet. Der Nutzen einer wochenlangen Fußreise, die aus dem gewohnten alltäglichen Aktivitäten herausführt, zeigt sich, wenn es gelingt, die erlebte Anti-Struktur nach der Wiedereingliederung flexibel beizubehalten. Die ausgewogene Balance zwischen Geschwindigkeit und konstruktiver Entschleunigung ermöglicht es, sich angstfrei der Muße zu überlassen, ohne Schuldgefühle nicht aktiv zu sein. Glück ist eine bewusste Entscheidung.
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